🚀 go-pugleaf

RetroBBS NetNews Server

Inspired by RockSolid Light RIP Retro Guy

Article View: de.etc.fahrzeug.auto
Article #373253

Entwicklung von Arbeitsplätzen in DE (was: "Volkswagen macht Fortschritte")

#373253
From: Ralf Koenig
Date: Sun, 08 Jun 2025 08:22
113 lines
5827 bytes
Am 07.06.2025 um 16:42 schrieb Dr. Joachim Neudert:

> Und die Fortschritte gehen munter voran:
>
> https://www.heise.de/news/Deutsche-Industrie-baut-100-000-Jobs-binnen-eines-Jahres-ab-10436829.html
>
> Im Link steht schon die zentrale Aussage.
>
> "Die anhaltende Wirtschaftskrise hat die deutsche Industrie binnen eines
> Jahres mehr als 100.000 Arbeitsplätze gekostet. Am härtesten traf es die
> Autobranche, zeigt eine Analyse der Wirtschaftsprüfungs- und
> Beratungsgesellschaft EY, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.
> Alleine dort wurden demnach netto rund 45.400 Jobs abgebaut."

Also Rückgänge von Arbeitsplätzen in der dt. Autoindustrie halte ich für
etwas normales durch:

* Automatisierung (das betrifft alle Industriezweige)
* weniger Autos in den gesättigten Markt
* Verlagerungen von Produktion ins europäische Ausland (z.B. Süd- und
Osteuropa, was dort endlich mehr Wohlstand bringt, die EU-Staaten etwas
angleicht, was "uns" wiederum Absatzmärkte für teurere Produkte und
Dienstleistungen eröffnet)
* natürlich ein Wandel - erst vom Verbrenner über Hybrid zum BEV, und
was noch kommen wird: ernstzunehmende Fahrautomatisierung im
Zusammenhang mit der geteilten Nutzung von Pkw.

Aber wenn es da in Deutschland zurück geht, geht es woanders halt rauf.

Hier wird zum Beispiel mehr gearbeitet, wenn auch maßgeblich in Minijobs:

"Zahl der arbeitenden Rentner laut Bericht auf Rekordniveau"
http://zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2025-06/zahl-der-arbeitenden-rentner-auf-rekordniveau

Es wird eine Verschiebung sein von Industrie-Arbeitsplätzen zu
Arbeitsplätzen in anderen Sektoren, maßgeblich dem Dienstleistungssektor.

Gleichzeitig wird ein Nullwachstum oben schon als "anhaltende
Wirtschaftskrise" verkauft. Aber die Gesamtwirtschaft besteht eben nicht
nur aus Industrie. das BIP in Deutschland, als Indikator für die gesamte
Wirtschaftsleistung, ist seit vielen Quartalen zwar nicht mit dem
Wachstum gesegnet, von dem die Ökonomen immer träumen, aber auch nicht
mit Rückgang, sondern das mäandert seit Q3 2021 (also fast 4 Jahren)
irgendwo um 0% herum mit so Werten zwischen -0.5% bis +0,5%.
https://de.tradingeconomics.com/germany/gdp-growth

Und schauen wir mal in die Arbeitslosenquote:
https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Konjunkturindikatoren/Arbeitsmarkt/arb210a.html
Dann ist das auch eine Seitwärtsbewegung zwischen 5 und 6,5%.

Für mich ist die Autoindustrie in ihrer jetzigen Form keine
Zukunftsbranche. Sondern da sehe ich eher Bildung, Erneuerbare Energien,
Elektro- und Energietechnik (die wird der Schlüssel von "Brennstoffe
transportieren und verbrennen" nach "Strom speichern und nutzen"),
Halbleiter und Chips, Telekommunikation, Software, und auf der
Rohstoffseite: viel mehr Recycling und Kreislaufwirtschaft. Dort könnte
gerade die chem. Industrie viel stärker reingehen, rund um Plastik- und
Elastikprodukte, aber auch Glas, Papier und Keramik. Genau wie die
Metallindustrie: wie macht man all das mit möglichst wenig neuem
Ausgangsmaterial und mit weniger Energie im Verarbeitungsprozess?

Ich finde sogar, der starke Fokus auf "Autos, Autos, Autos" (aber leider
in wenig innovativer Art) hat Deutschland nicht gut getan. Das
korrigiert sich nun von selbst.

Du kannst dafür mal in so einen Artikel reinschauen:
"Prognos-Studie: Elf Branchen, in denen Deutschland noch spitze ist"
17.05.2024
https://www.handelsblatt.com/politik/konjunktur/prognos-studie-elf-branchen-in-denen-deutschland-noch-spitze-ist/100023347.html

Und wenn man das verbindet (weniger Autoneuproduktion, dt. Autowerke
werden frei, Kreislaufwirtschaft zur Reduktion der importierten
Rohstoffmengen), kommt man bei etwas logischem raus: z.B. der Umrüstung
von Verbrenner-Fahrzeugen zu batterieelektrischen Fahrzeugen, gerade für
Pkw, aber auch Nutzfahrzeuge und Zweiräder. Natürlich auch für den ÖPNV,
ÖPFV und Boote.

Deutschland kann auch weitere Zweige im Dienstleistungssektor stärker
entwickeln:
* Tourismus (wie z.B. Nachbarland Österreich),
* Finanzen (unsere Nachbarn Luxemburg oder die Schweiz leben davon
maßgeblich, die können da bisschen was abgeben),
* Gesundheit, gern zusammen mit einer innovativen Biotech- und
Pharma-Industrie,
* Medien, Verlage, Computerspiele, und Film.

Es wäre z.B. gut, die Digitaldienste wieder enger nach Europa zu holen,
anstatt der hohen Abhängigkeiten zu Plattformen von Microsoft, Apple,
Alphabet/Google, Amazon, Meta, Bytedance, die sich über Clouds noch
weiter vergrößern werden.

Es wäre gut, die Hardware-Grundlagen der Digitalwirtschaft und
Energiewirtschaft wieder enger nach Europa zu holen, sowie
Open-Source-Software, OpenData, OpenKnowledge, OpenMedia zu fördern. Und
es wäre gut, wirklich mal in ein europäisches Denken zu kommen. Und dann
in eine Richtung der Weltdiplomatie (wie sie mit der Gründung der
Vereinten Nationen nach dem 2. Weltkrieg mal begonnen hat) anstatt von
Rüstung, Militär und militärischer Abschreckung.

Und wir werden klar Technologien brauchen, die mit den
Klimaveränderungen besser klarkommen: Wettervorhersage, Klimaprognosen,
Hochwasserschutz, Gebäudeschutz, Katastrophenschutz, Management von
Starkregenereignissen und Hagel, Management von langer Hitze, Dürre und
Trockenheit, Biotechnologien dazu, intelligenten Artenschutz. Auch das
können wir als Produkte oder Dienstleistungen dem Weltmarkt anbieten.

Vielleicht gibt dir diese Sicht ein paar Gedankenimpulse. Für 100.000
Arbeitsplätze, die von mir aus in einem Jahr in der deutschen Industrie
abgebaut wurden (um die Zahl von oben aufzugreifen) gibt es da mehr als
genug Chancen. Schon allein, wenn man zusammenzählt, was an Lehrerinnen
und Lehrern, in der Pflege, Krankenhauspersonal, Medizinern in
Deutschland so fehlt.

Grüße, Ralf

Message-ID: <makoh9Fk4rnU1@mid.individual.net>
Path: rocksolid-eu.pugleaf.net!archive.newsdeef.eu!ygg-srv.newsdeef.eu!srv.newsdeef.eu!news.hispagatos.org!news.nntp4.net!weretis.net!feeder8.news.weretis.net!fu-berlin.de!uni-berlin.de!individual.net!not-for-mail
References: <101ollh$c88v$1@solani.org> <maac4aFj5ciU1@mid.individual.net> <101ovbl$bstc$2@solani.org> <mad657Fb0ekU1@mid.individual.net> <1749145873-2991@newsgrouper.org> <maeb9kFh0cmU1@mid.individual.net> <1021j41$gs9v$1@solani.org>